Preisfindung und Strategien im E-Commerce
Die Preisfindung
Bei der Preisfindung handelt es sich um einen Prozess, bei dem der Maximalpreis ermittelt wird, den ein Kunde bereit ist für ein Produkt zu bezahlen. Durch gezielte Marketingmaßnahmen kann die Preisfindung zum Vorteil des Unternehmens beeinflusst werden. Zu den klassischen Methoden gehören die kostenorientierte, nachfrageorientierte, wettbewerbsorientierte sowie die zielgruppenorientierte (“Target Costing”) Preisbildung.
Welche klassischen Methoden der Preisbildung gibt es?
Die nachfrageorientierte Preisbildung
Hier wird ermittelt, wie hoch die Nachfrage des Kunden gegenüber dem wahrgenommenen Wert des Produktes ist. Bei dieser Methode wird die Reaktion des Kunden auf die verschiedenen Preise des Produktes getestet. Mit den gesammelten Daten wird dann der passende Preis festgelegt.
Beispiel:
– täglich kaufen 100 Personen 1 Portion Pommes Frites und bezahlen dafür 2,00 EUR (= 200 EUR Einnahmen)
– der Preis wird auf 2,50 EUR erhöht
– nun kaufen nur noch 60 Personen 1 Portion (= 150 EUR Einnahmen = Einnahmeverlust von 50 EUR im Vergleich zum alten Preis)
– Jetzt muss das Unternehmen sich überlegen, ob Sie mit dem Preis noch wirtschaftlich verkaufen können
– Wenn ja, Preis beibehalten, wenn nein, Preis senken
Die wettbewerbsorientierte Preisbildung
Bei der Methode werden vorhandene wettbewerbsbezogene Informationen beziehungsweise Preise der Konkurrenz als Basis der eigenen Preisbildung genutzt. Hier werden oft die Preise der Mitbewerber leicht unterboten und die Vorteile der eigenen Produkte stärker in den Vordergrund gestellt, wie zum Beispiel mit besonderen Rabattaktionen.
Als Beispiel:
– Wenn Sie ein Smartphone-Hersteller sind, orientieren Sie sich an den Preis der Konkurrenz, aber bleiben dennoch etwas unter dem Preis der Mitbewerber.
– Senken die Mitbewerber ihren Preis, versuchen Sie mit verschiedenen Aktionen entgegenzuwirken, ohne Ihren Preis ebenfalls drastisch zu senken
– Sie können eine Rabattaktion starten oder ein gratis “Goodie” bei jeder Bestellung hinzufügen
Die kostenorientierte Preisbildung
Wendet ein Unternehmen eine kostenorientierte Preisbildung an, wird auf die Kosten des Produktes ein Gewinnzuschlag dazugerechnet, um zum Nettoverkaufspreis zu gelangen. Die Kosten sind in der Regel die Selbstkosten (fixe und variable Kosten), gegebenenfalls auch nur die variablen Kosten.
Ein Beispiel:
– Ein Schokoladenhersteller hat Selbstkosten für eine 100-Gramm-Tafel Vollmilchschokolade in Höhe von 0,40 € (Material-, Fertigungs-, Verwaltungs- und Vertriebskosten).
– Darauf schlägt das Unternehmen 10 % (0,04 €) auf und verkauft die Tafel an den Handel (Supermärkte etc.) für netto 0,44 €.
– Die Kosten schwanken: variable Kosten für Rohstoffe wie Milch und Kakao werden teurer, die Auslastung der Fabrik bzw. die Nachfrage nach der Schokolade bestimmt die Höhe der Fixkosten (pro Tafel); da das Unternehmen aber nicht dauernd die Preise neu verhandeln bzw. erhöhen kann, muss es mittelfristig haltbare Kosten z.B. auf Durchschnittsbasis berechnen
Die 5 Preisstrategien in der Preisfindung
Die Festpreisstrategie
Bei der Festpreisstrategie wird einmalig ein Preis für das Produkt festgelegt, das unabhängig von den Käufergruppen und der Preise der Konkurrenz ist.
– Promotionsstrategie / Niedrigpreisstrategie
Hier wird der Preis für Ihr Produkt deutlich unter dem der Konkurrenz gesetzt. Üblich bei Discountern. Der große Nachteil ist, dass Ihre Kunden in der Regel nur bei Ihnen bleiben, wegen des niedrigen Preises und nicht zum Beispiel wegen der Bindung zu Ihrem Unternehmen. Es besteht eine große Gefahr, dass sich der Kunde abwerben lässt, sobald es einen Anbieter mit einem vergleichbaren Produkt gibt, das dann günstiger angeboten wird.
Beispiel:
– Ikea bietet der Familie ein Angebotsspektrum mit vielen relevanten Einrichtungsgegenständen. Die Qualität ist hervorragend. Viele IVARoder BILLY-Regalsysteme haben 2 Generationen überlebt. In manchen Segmenten wie Regale, Sessel oder Küchenausstattungen führt für die kostenbewussten Zielgruppe kein Weg an Ikea vorbei. Der Do-It-Yourself-Charakter stört den Kunden nicht.
– Premiumstrategie / Hochpreisstrategie
Bei dieser Strategie wird ein höherer Preis als bei der Konkurrenz festgesetzt. Dies klappt nur, wenn Sie eine hohe Produktqualität vorweisen können und passende Marketingmaßnahmen einsetzten, um Ihr Image zu verbessern und das Produkt an die richtige Zielgruppe zubringen. Diese Methode wird vielfach von Smartphone Herstellern verwendet.
Beispiel:
– Apple hat in den vergangenen Jahren diese Preisstrategie erfolgreich umgesetzt. Sie erhöhten die Preise für die Smartphones signifikant und hielten dennoch die Mehrheit ihrer Kunden.
Die Preisabfolgestrategien / Dynamische Preisstrategien
Bei dieser Strategie werden die Preise so gesetzt, dass sie sich über die Zeit verändern. Dies kann in beiden Richtungen geschehen.
– Skimmingstrategie / Abschöpfungstrategie
In diesem Fall wird ein hoher Anfangspreis für die Produkte gesetzt, die nach kurzer oder längerer Zeit sinken. Diese Methode wird bei Produkten eingesetzt, die schnell an Wert verlieren. Diese Strategie wird oft bei Technikherstellern eingesetzt, da die Produkte stetig verbessert werden und regelmäßig neue Technologien auf dem Markt erscheinen.
Beispiel:
– Die Strategie wird oft bei Technikherstellern eingesetzt, da die Produkte stetig verbessert werden und regelmäßig neue Technologien auf dem Markt erscheinen.
– Die Preise werden zum Launch relativ hoch angesetzt und fallen in der Regel nach einer kurzen Zeit wieder.
– Die Penetrationsstrategie
Bei der Strategie locken Sie Kunden über einen besonders niedrigen Preis an, der später erhöht wird. Die Zielgruppe muss hierfür für den Preis sensibel und groß genug sein, sonst könnte das Problem entstehen, dass Sie Ihre Produktionskosten nicht wieder reinholen können. Der Vorteil ist, dass Sie besonders schnell einen höheren Marktanteil erobern und durch Marketingmaßnahmen das Produkt weiter skalieren können.
Beispiel
– Ein typisches Beispiel ist der Mobilfunksektor mit Handy- oder Internettarifen, die im Abo angeboten werden. Hier werden die Preise oft für das erste Jahr günstiger gestaltet und im zweiten
Jahr angehoben.
Die Preiswettbewerbsstrategie
Bei dieser Strategie orientieren sich Preise an der Preispolitik der Konkurrenz und der eigenen Positionierung im Vergleich zu der, der Mitbewerber.
– Der Preiskämpfer
Bei dem Preiskämpfer wird stets versucht, den günstigsten Preis anzubieten. Wenn der Konkurrent einen niedrigeren Preis anbietet, wird dieser unterboten.
Beispiel:
– Schokoladenhersteller, die für deutlich unter einem Euro anbieten; Smartphone-Hersteller, die für rund 100 Euro anbieten.
– Der Preisführer
Im Gegensatz dazu stellen Preisführer den höchsten Preis am Markt. Durch erfolgreiches Marketing und die Bekanntheit des Unternehmens, wird diese Strategie erst ermöglicht.
Beispiel:
Ein Pralinen- und Schokoladenhersteller setzt seinen Preis für 100-Gramm-Tafeln Schokolade bei gut 2 Euro an und damit ca. beim Doppelten des durchschnittlichen Marktpreises.
– Eine Jahrzehnte alte Rockband setzt ihre Ticketpreise für Konzerte bei rund 300 € an.
– Der Preisfolger
Hier wird der Preis an den Preisführer angepasst. Der Preis ist jedoch leicht unter dem des Preisführers. Diese Strategie nutzen oft kleine und mittelständische Unternehmen.
Beispiel:
– Wenn der Preisführer ein Smartphone der neuesten Generation für 1.000 € anbietet, wird ein Preisfolger vielleicht für 800 oder 900 € anbieten.
– Senkt der Preisführer seinen Preis auf 800 €, zieht der Preisfolger nach unten nach, zum Beispiel auf 600 €.
Die Preisdifferenzierung
Bei der Preisdifferenzierung kommen je nach Käufer und Kaufumstände unterschiedliche Preise zustande.
– Die individuelle Differenzierung
Hier werden unterschiedliche Preise für unterschiedliche Zielgruppen festgelegt, wie beispielsweise Rabattaktionen für Schüler uns Studenten.
– Regionale Differenzierung
Hier wird der Preis der örtlichen Kaufkraft und Konkurrenz angepasst.
Beispiel:
Eine entlegene Tankstelle, deren Wettbewerber mehrere Kilometer entfernt angesiedelt sind, kann Benzin deutlich teurer verkaufen, als wenn sich die Konkurrenz auf der gegenüberliegenden Straßenseite befinden würde.
– Die zeitliche / saisonale Differenzierung
Hier können die Preise zeitlich oder nach Saison angepasst werden. Als Beispiel Frühbucherrabatte.
Beispiel:
– Zu den Hauptreisezeiten (z. B. während der Schulferien oder Veranstaltungen) steigen die Übernachtungspreise in den jeweils ortsansässigen Hotels – Reisende sind auf die Unterkünfte angewiesen und zahlen demnach einen höheren Preis.
– Die verwendungsbezogene Differenzierung
In diesem Fall entscheidet der Verwendungszweck den Preis. Zum Beispiel zahlen Industrien oder Unternehmen andere Strompreise als Privathaushalte.
Beispiel:
– Verschiedene Preise je nach Art der Verwendung einer Ware, z.B. Salz als Viehsalz oder Speisesalz, Strom für Geschäftskunden oder für Privatkunden.
– Quantitative oder Mengendifferenzierung
Bei der Preisstrategie, die im Großhandel angewendet wird, ist der Preis der Absatzmenge angepasst. Je mehr der Kunde kauft, desto günstiger wird das Produkt.
Beispiel:
– Mengenrabatt
– Kauf 3 zahl 2
– Staffelpreise.
Das Target Costing / Zielkostenrechnung
Bei der Methode bestimmen nicht die Produktionskosten den Preis, sondern umgekehrt. Es wird gemessen, wie hoch die Zahlungsbereitschaft und die Kaufkraft der Zielgruppe ist, um dann zu ermitteln, wie teuer ein Produkt maximal sein darf, um noch attraktiv zu sein. An diese Vorgabe wird die Produktentwicklung angepasst.
Beispiel
– Der Zielpreis, den dir deine Marketing-Abteilung durch eine ausführliche Marktanalyse und Kundenbefragung ermittelt, liegt bei 10€. Du möchtest eine Gewinnspanne von 10% erzielen.
– Dies wären pro Einheit also 1€, sodass du für deine allowable costs 9€ einkalkulierst. Aus eigenen Erfahrungen und nach Absprache mit deiner Produktion erhältst du Standardkosten in Höhe von 12€.
– Somit musst du nach dem Prinzip des Target Costings deine Kosten von 12€ auf 9€ senken. Du musst also versuchen, 3€ einzusparen.
Die Preisfindung und die Preisstrategien sind feste Bestandteile des Marketing Mixes, der 4Ps. Der Grundgedanke ist:
– Das richtige Produkt (Produktpolitik) wird zum richtigen Preis (Preispolitik) über die passenden Distributionskanäle (Distributionspolitik) mit den wirksamsten kommunikativen Maßnahmen (Kommunikationspolitik) zur richtigen Zeit auf dem Markt angeboten und platziert.
Die Preisfindung beziehungsweise die Preisstrategie ist nicht einfach nur eine Kalkulation, sondern ein Zusammenspiel aus verschiedenen Methoden und Marketingmaßnahmen. In unserem E-Commerce Seminar gehen wir noch genauer auf das Thema ein und entwickeln eine Strategie für Ihr Projekt.
Verfasst von Marc Krause